Systemische Grundsätze

In der Systemischen Beratung und Therapie gibt es einige Grundsätze, die wir Ihnen kurz erläutern möchten:

Jeder verhält sich je nach Situation anders

Niemand ist grundsätzlich depressiv, heiter, über- oder unterlegen usw., vielmehr verhält er sich in bestimmten Situationen oder bestimmten Menschen gegenüber so.
Beispielsweise verhält sich ein und derselbe Mensch seinen Freunden gegenüber angepasst und freundlich, während er sich gegenüber seiner Frau eher respektlos und streitlustig zeigt.
Das bedeutet, Personen haben sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten, abhängig vom jeweiligen Gegenüber, in einer bestimmten Situation mal eher dieses und mal eher jenes Verhalten zu zeigen.
Das Verhalten eines Menschen wird somit immer in einem zeitlich begrenzten Kontext/Zusammenhang gesehen.

Jeder hat seine eigene Wirklichkeit

Jeder erlebt Wirklichkeit anders. Aufgrund der unterschiedlichen Lebenserfahrungen entwickelt jeder eine andere Sichtweise und reagiert in der gleichen Situation mit anderen Gefühlen.
Das bedeutet, dass es in der Systemischen Beratung und Therapie keine objektive Wahrheit oder Wirklichkeit gibt, sondern lediglich die subjektiven Sichtweisen jedes Einzelnen, die alle den gleichen Respekt verdienen und die gleiche Wichtigkeit haben.

Verhalten bedingt sich gegenseitig

Wir existieren nicht im luftleeren Raum, sondern bilden eingebunden in Beziehungen verschiedene Systeme (als Paar, Familie, Firma, Kindergartengruppe usw.). In diesen Rollen beeinflussen sich die Personen in ihrem Verhalten ständig gegenseitig. Abhängig davon, in welchem Tonfall, mit welcher Gestik oder Mimik etwas gesagt wird, werden beim Gegenüber unterschiedliche Gefühle, Reaktionen und Verhaltensweisen ausgelöst.
Jeder kann somit das Verhalten des anderen mitsteuern, ebenso wie dieser mit seiner Reaktion dann wiederum das weitere Verhalten seines Gegenübers beeinflussen kann usw.

Symptome machen Sinn

Die Systemische Therapierichtung verzichtet auf die Bezeichnung von Diagnosen - sie spricht von Symptomen. Diese Symptome werden aus systemischer Sicht als Lösungsversuche gesehen. Sie erscheinen diesem Menschen in seiner momentanen Situation – bewusst oder unbewusst – als die beste Möglichkeit, auf seine aktuelle Lebenslage zu reagieren.
Symptome verschaffen allerdings meist nur vorübergehend Hilfe und können sich langfristig zum weiteren Problem entwickeln.
Wichtig ist daher zu beleuchten, wozu dieses Verhalten dient und welchen Sinn es macht. Denn es gibt häufig Lösungen, die anders, befriedigender und dauerhafter sind.

 

Hierzu ein Beispiel
Ein Familienvater von drei Kindern erlebt zu Hause viel Stress. Im Laufe der Zeit bleibt er immer länger im Büro.
Ein möglicher Grund dieser Reaktion ist, dass der Familienvater keine Idee hat, wie er zu Hause behilflich sein kann. Vielleicht hat er bereits alles aus seiner Sicht Mögliche versucht, was aber zu keiner positiven Veränderung geführt hat.
Oder er bekommt in seiner Firma mehr Anerkennung für seine Leistung als zu Hause.
Sein Rückzug führt dazu, dass seine Frau sich alleine gelassen fühlt und noch wütender und immer unzufriedener wird.
Daraufhin arbeitet der Familienvater noch mehr.

 

Das Symptom in diesem Fall heißt: „Rückzug" und bringt nur kurzfristig eine Lösung. Wir gehen als Systemiker davon aus: „Verhalten macht Sinn". Das heißt, egal wie sich jemand verhält, es hat immer einen Grund, auch wenn man diesen von außen betrachtet nicht auf den ersten Blick erkennen kann.

Ressourcen

Alle Menschen verfügen über Ressourcen und Fähigkeiten.
Ein Kind beispielsweise kann sich zwei Stunden konzentriert mit einem Computerspiel beschäftigen, aber keine fünf Minuten mit seinen Hausaufgaben.
Warum kann dieses Kind seine Konzentrationsfähigkeit, die es ja am Computer beweist, nicht auch bei den Schulaufgaben einsetzen?
Sowohl bei dem Kind als auch bei den Eltern, die sich sorgen zu versagen, geht es in Gesprächen nicht in erster Linie darum, ihnen Fähigkeiten wie Konzentration oder Erziehung beizubringen - denn das können sie vermutlich bereits. Es geht vielmehr darum, den Fokus darauf zu setzen, warum beide ihre vorhandenen Fähigkeiten in manchen Situationen nicht einsetzen können.
Das heißt, in der Systemischen Beratung und Therapie liegt das Hauptaugenmerk auf den Ressourcen – nicht auf den Defiziten der Personen oder der Familie.
Es geht darum, wie man als Klient seine vorhandenen Ressourcen lösungsbringend einsetzen kann.